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Universitätsbibliothek Mainz

25.05.2021

Messen, prüfen, programmieren – wie sich MINT-Institute dem Klimawandel stellen

Tropische Temperaturen in Deutschland und Schneestürme in Texas. Zwei Beispiele, die verdeutlichen, dass der Klimawandel zu den größten Gefahren für die Menschheit gehört, mit Auswirkungen auf die ganze Welt. Auch die USA verstärken wieder ihr Engagement im Umweltschutz, war es doch eine der ersten Amtshandlungen des neuen Präsidenten, dem Pariser Klimaabkommen erneut beizutreten. Aber nicht nur in der Weltpolitik spielt der Klimawandel eine Rolle, auch an der JGU wird fleißig zum Thema geforscht.

Um herauszufinden, wie sich Forschung und Lehre an der Mainzer Uni der Bedrohung durch den Klimawandel entgegenstellen, haben wir uns auf einen Streifzug durch die Fachbereiche begeben. Nachdem wir uns auf unserer Tour bereits bei den Geisteswissenschaften umgesehen haben werfen wir diesmal einen Blick auf die MINT-Institute. Dass Forschung und Lehre in diesem Bereich äußerst vielfältig sind, wird schon beim Stöbern im Vorlesungsverzeichnis und auf den Websites der Uni klar

Bei unserer Recherche sind wir unter anderem auf Vorlesungen und Seminare zu den Themen Klimapolitik und nachhaltige Stadtplanung gestoßen. Wir haben das Institut für Physik der Atmosphäre (IPA) und den Lehrstuhl für Geoinformatik entdeckt und gelernt, was es mit dem Master in Klima- und Umweltwandel auf sich hat. Natürlich hat jedes Fach seine eigenen Methoden und einen ganz eigenen Blick auf das Thema Klimawandel. Aber wo genau setzen die Institute und Fachbereiche der JGU an? Wo gibt es Gemeinsamkeiten? Und wo überschneidet sich der Forschungsalltag mit gesellschaftlichem Engagement? Wir werden sehen, wie die einen dem Klimawandel auf der Spur sind, indem sie Wolken erforschen, die anderen sich um die umweltschonende Gestaltung der Innenstädte kümmern und die dritten im Bunde ihr Labor nachhaltig entwickeln.

Alle reden vom Wetter – das IPA forscht dazu

Unsere heutige erste Anlaufstelle ist das IPA. Wenn sich jemand mit dem Wetter auskennen sollte, dann doch bestimmt die Menschen, die hier lehren und forschen – schließlich betreibt das Institut auch eine eigene Wetterstation auf dem Gebäude der NatFak. Aber woran wird hier genau gearbeitet? Und was hat das mit dem Klimawandel zu tun?

Im Namen steckt es ja schon – das Interesse an der Physik und auch an der Chemie der Atmosphäre sind die Grundlagen der täglichen Arbeit. Oder wenn ihr es genau wissen wollt: Hier dreht sich alles „um die Entstehung und den Einfluss von Wolken, um die Vorhersagbarkeit des Wetters, den Zusammenhang zwischen Troposphäre und Stratosphäre sowie die chemischen und physikalischen Eigenschaften von Aerosolen“, wie Dr. Philipp Reutter, Wissenschaftler am Institut, erläutert.

Und so geht es im Forschungsalltag unter anderem darum, die Unsicherheiten im Wissen über das Klimasystem zu verringern. Als Beispiel führt Reutter an, dass man den Einfluss der Wolken auf den Strahlungshaushalt der Erde noch schlecht versteht. So können Zirren, die federartigen hohen Eiswolken, je nach Tageszeit und physikalischen Eigenschaften erwärmend oder kühlend für das Klima sein. Ein Phänomen, das man weiter untersuchen muss.

Dabei muss man bedenken, dass Wetter und Klima nicht das gleiche bedeuten. Während das Wetter über einen kurzen Zeitraum beobachtet wird und den Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt beschreibt, kann man das Klima nur über eine längere Zeitspanne – und dabei sind Jahrzehnte gemeint – erfassen. Bedeutet für alle Klimawandelleugnenden: ein verregneter Juni im Ablauf von zehn Jahren heißt nicht, dass der Klimawandel nicht existiert!

Forschung (auch) über den Wolken

Webcam des Instituts für Physik der Atmosphäre mit Blick auf den Himmel über dem Campus
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Um sich ihren Forschungsgegenstand aus der Nähe anzuschauen, gehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IPA schon mal in die Luft. Eine Datenerfassung per Flugzeug ist auf diesem Gebiet nicht ungewöhnlich. Und weil der Klimawandel ein globales Problem ist, finden auch die Messungen rund um den Erdball statt – dabei kann die Anreise zum Arbeitsplatz schon einmal etwas länger dauern. Die SouthTRAC-Mission führte die Forschenden 2019 beispielsweise nach Argentinien, um den Einfluss von Treibhausgasen auf den Klimawandel zu untersuchen. Im Idealfall führen die gewonnenen Daten dann in Kombination mit theoretischen Überlegungen und Modellierungen am Computer zu neuen Erkenntnissen und damit zu Verbesserungen der Klima- und Wettermodelle.

Aber auch Wolkenmessungen werden durchgeführt und die Auswirkungen des Flugverkehrs untersucht, um eine gute Datenbasis zu erstellen und so dazu beizutragen, modernere Treibstoffe und wirksamere Antriebssysteme zu entwickeln. Was dann wiederum zu einer geringeren Umweltbelastung durch den Flugverkehr führen würde. Aber dies sind nur zwei Beispiele, die zeigen, wie am IPA geforscht wird.

Über die Grenzen des Fachgebietes hinaus

Damit die Erkenntnisse nicht nur im Expertenkreis diskutiert werden, sondern bei der weltumspannenden Bedeutung auch von Erna und Otto Normal-Klimawandelverursachenden erkannt werden, haben sich die Mitglieder des Instituts einiges einfallen lassen. Sie haben im Rahmen der Scientist4Future-Initiative nicht nur an den FFF-Demos teilgenommen, sondern auch Reden gehalten und damit die Wahrnehmung des Themas in der Öffentlichkeit gesteigert. Dies ist nicht der einzige Weg, den das Institut eingeschlagen hat, um ein breiteres Publikum zu erreichen.

In den Vor-Corona-Zeiten konnte man vieles organisieren, was im Moment nicht möglich ist: Die regelmäßigen Besuche von Schulklassen, bei denen man den Schülerinnen und Schülern die Faszination Wetter näherbringen konnte, die Vorträge auf Veranstaltungen rund um die Themen Klima und Wetter sowie die Teilnahme am Mainzer Wissenschaftsmarkt fallen derzeit weg.

Vieles in unserem Leben spielt sich mittlerweile online ab, also mussten die Atmosphärenforscherinnen und -forscher neue Wege finden: Der eigene Twitterkanal der Wetterstation hat an Bedeutung gewonnen, genauso wie der Atmoblog, mit dem das Institut Interessierten meteorologische Themen und Forschungsergebnisse allgemeinverständlich vermittelt.

Auch mit der Vortragsreihe Wetter und Klima im letzten Semester wandten sich die Forschenden an ein breites Publikum. Denn nur wer die physikalischen und chemischen Abläufe bei Wetter und Klima kennt, der versteht auch, dass der Klimawandel uns alle betrifft – und wie sehr sich das eigene Verhalten, zum Beispiel bei der Verwendung von Rohstoffen oder der Buchung von Flugreisen auf die Eindämmung oder Verschärfung der Klimakrise auswirkt.

Prima Klima in der Innenstadt?

Von der großen weiten Welt geht’s nun in die Stadt, denn auch hier spielt der Klimawandel eine Rolle. Den Städteplanenden stellt sich bei der Entwicklung neuer Stadtbereiche oft die Frage: Wie gehe ich mit den Problemzonen um? Wie wirken sich Sonneneinstrahlungen, Windverhältnisse oder Pflanzenbewuchs auf das Klima in der Stadt aus?

Wer sich für umweltbewussten Städtebau interessiert, der ist am Lehrstuhl für Geoinformatik genau richtig! Der Lehrstuhl bietet die Möglichkeit, den Masterstudiengang Klima- und Umweltwandel zu absolvieren und sich unter anderem mit nachhaltiger Stadtplanung und dem Stadtklima zu beschäftigen.

Grüne Stadtsilhouette
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Software für eine nachhaltige Zukunft

Im Zentrum steht dabei das vom Lehrstuhlinhaber Professor Michael Bruse entwickelte Simulationsmodell ENVI-met. Es hilft vorherzusagen, wie sich Entscheidungen bei der Stadtplanung konkret auf Lebensqualität, Außenraumqualität oder Energieeffizienz auswirken. Mithilfe numerischer Simulation des Mikroklimas auf Basis unterschiedlicher Daten werden dabei Faktoren wie Sonneneinstrahlung oder städtische Vegetation berücksichtigt, aber auch die Luftverschmutzung und – leider ganz zeitgemäß – die Verbreitung von Coronaviren. Ziel ist es, mithilfe von Software den Menschen und seine Gesundheit bereits bei der Planung von Städten adäquat zu berücksichtigen. Und natürlich versucht man mit stadtplanerischen Mitteln, auf den Klimawandel zu reagieren.

Wie Professor Bruse erläutert, kann die Software auf verschiedene Arten verwendet werden und wird auch weltweit – von Schweden bis Australien – eingesetzt. Beispielsweise untersuchte man damit in Melbourne – über deren Universität wir schon einmal berichtet haben – die Auswirkungen von Dachbegrünungen. Entweder nutzt man sie als freie Version für kleine Untersuchungen oder als kommerzielle Software für Lehre und Projekte. Auch Schulen werden mit Lehr- und Lernmaterialien versorgt. Dabei geht eine gestiegene Aufmerksamkeit am Thema Klimawandel mit einer steigenden Nachfrage an der Software einher. Wenn also auf der Basis physikalischer Grundlagen wie zum Beispiel der Strömungsmechanik eine Software mit der dazugehörigen Infrastruktur – und dazu gehören natürlich Support, Videos und unterstützende Materialien – entwickelt und bereitgestellt wird, dann leistet ein Simulationsprogramm einen großen Beitrag zur Lösung der Klimakrise!

Green Lab

Aber auch an Instituten, die sich nicht direkt mit dem Klima beschäftigten, tut sich etwas. Und es muss ja nicht immer gleich der globale Ansatz sein. Man kann durchaus auch erst einmal vor der eigenen Labortür kehren. So waren die Überlegungen am Institut für Molekulare Biologie. Eigentlich befasst man sich hier hauptsächlich mit der Entwicklungsbiologie – das scheint auf den ersten Blick erstmal nichts mit dem Klimawandel zu tun zu haben. Da sich aber ein Großteil der Arbeitszeit im Labor abspielt, kam man schnell zu der Frage, wie man hier das Arbeiten nachhaltiger gestalten kann. Wie kann man beispielsweise den dabei entstehenden Wasser- und Energieverbrauch senken? Aus diesem Gedanken entstand zuerst die Gruppe IMB Green und daraus die institutsweite IMB Sustainability Initiative (ISI).

In der Folge organisierte IMB Green eine Seminarreihe mit dem Ziel, mehr über nachhaltige Forschung zu erfahren. Dabei war es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wichtig, dass möglichst viele Menschen daran teilnehmen können, um das Bewusstsein für grüne Laborarbeit zu stärken und die Idee nach außen zu tragen – quasi als Superspreader.

Grün leuchtender Würfel
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Thomas Hartmann

Als ersten Vortragenden in der Reihe konnte man den Geschäftsführer der Organisation My green lab, James Connelly, gewinnen, der unter anderem zeigte, welche Rolle nachhaltige Wissenschaft in Zukunft spielen kann. Sein Vortrag My green lab and the future of sustainable science war als Online-Meeting so gut besucht, dass man ganz bequem den Hörsaal P1 gefüllt hätte, wenn es denn möglich gewesen wäre – ein ausverkauftes Haus. In dem Vortrag ging es nicht nur um nackte Zahlen, auch wenn 30 % weniger Energieverbrauch und 10 % weniger Wasserverbrauch erstrebenswerte Ziele für Labore sind.

Es ging auch darum, die Motivation für nachhaltiges Arbeiten im Labor zu fördern und das Green Lab bietet ein vielfältiges Programm zur Unterstützung – ob Green Lab Certification und Green Lab Ambassador oder das Green Chemistry Project – und die Möglichkeit, sich zu beteiligen. Und warum sollte man nicht an der jährlichen Freezer Challenge teilnehmen und dabei gleichzeitig den Energieverbrauch im eigenen Labor senken?

Fortgesetzt wurde die Seminarreihe im Januar mit Nikoline Borgermanns Vortrag How to go green in a wet lab mit weiteren Tipps für umweltschonendes Arbeiten im Labor und im April mit Patrick Fricks Cell culture for future. Man darf gespannt sein, wie es weiter geht.

Man denkt also auch im IMB grün und natürlich nutzen die Initiatoren auch Facebook und Twitter, um den Kontakt zu Gleichgesinnten zu finden und auf die Veranstaltungen aufmerksam zu machen. Wenn Ihr also auf dem Laufenden sein und wissen wollt, wann die nächste Veranstaltung stattfindet, dann hängt Euch dran. Follower sind natürlich erwünscht und unter #SustainableScience könnt ihr euch zusätzlich mit vielen weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nachhaltig vernetzen.

Auch wenn man noch nicht weiß, wie die Entwicklung voranschreitet, sieht man doch, dass die Forschenden die Frage umtreibt, wie sie ihre Laborarbeit nachhaltig gestalten können – ein gutes Zeichen, oder?

Wie Ihr seht, tragen viele einzelne Forschungsprojekte und Initiativen der JGU dazu bei, dass unser Land bis zum Jahr 2045 klimaneutral sein kann – eine Forderung die durch das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz nochmals bestärkt wurde. Auf dem Campus ist also ganz schön was los, wenn es um die Nachhaltigkeit geht – unsere Reihe wird Euch weiter auf dem Laufenden halten!

Habt Ihr Euch im Rahmen Eures Studiums mit den Themen Nachhaltigkeit, Klimawandel oder Umweltschutz beschäftigt? Forscht Ihr in diesem Bereich vielleicht? Dann meldet Euch bei uns! Das MUB gibt Euch gerne eine Plattform, Eure Projekte vorzustellen!

Stephan Jung
Stephan Jung

Stephan Jung arbeitet seit 20 Jahren in der UB.

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