Ein lauer Spätsommertag im September. An diesem Freitag, so kurz vor dem Wochenende und mitten in der vorlesungsfreien Zeit, ist der Campus wie leergefegt. Auf meinem Weg ins Büro treffe ich nur ganz vereinzelt Nutzerinnen und Nutzer in der UB. Das ändert sich schlagartig, als ich mit einigen Kolleginnen und Kollegen gegen 12:30 Uhr, bewaffnet mit unserem selbstgebastelten Librarians for Future-Transparent, an der Haltestelle Universität ankomme. Hunderte Menschen haben sich versammelt, zahllose Plakate überall, die Stimmung ist ausgelassen. In leidenschaftlichen Reden appellieren sie an die Politik und fordern mehr Klimaschutz.
Eine Route des von Fridays for Future (FFF) organisierten Alle fürs Klima-Sternmarsch vom 20. September führte von der Uni zum Gutenbergplatz. Angemeldet wurde er von Theresa Gemke. Die 22-jährige studiert im dritten Semester Medizin an der JGU und engagiert sich seit Januar bei Fridays for Future Mainz. In den letzten Monaten habe ich mich immer wieder mit ihr ausgetauscht und sie zu Veranstaltungen begleitet.
„Der Klimawandel wartet nicht, bis dein Bachelor fertig ist!“
Theresa kam über einen Bekannten zur Bewegung, der von ihrem Engagement für den Umweltschutz wusste. Bereits bei der ersten FFF-Demo im Januar hielt sie eine Rede, in der sie dazu aufrief, Produkte sowie Ressourcen wieder mehr zu wertschätzen und den Umweltschutz zu priorisieren. Das erfordere „eine Änderung des Verhaltens jedes Einzelnen, aber auch eine Änderung der Rahmenbedingungen durch die Politik.“ Theresa war dabei sehr aufgeregt, wie sie mir gesteht, da sie so etwas zuvor noch nie gemacht hatte.
Auch bei den folgenden Demos ging sie mit auf die Straße, packte beim Auf- und Abbau mit an und nahm an den Planungstreffen teil. Im März wurde sie schließlich in das basisdemokratisch strukturierte Orgateam gewählt, in das sich auch noch zwei weitere Studis der JGU einbringen. Bei einem der regelmäßig stattfindenden öffentlichen Plenen, an denen übrigens jeder teilnehmen kann, war ich auch dabei.
Wie funktioniert Fridays for Future in Mainz?
In öffentlichen Plenen werden Aufgaben für die nächste Protestaktion verteilt und anstehende Termine besprochen. Viel läuft auch über Whatsapp, hier und in den sozialen Medien werden die Interessierten auf dem Laufenden gehalten. Außerdem wird nach Rednerinnen und Rednern sowie Ordnerinnen und Ordnern für die nächsten Demos gesucht. Klare Zuständigkeiten gibt es keine, jeder macht prinzipiell alles und kann sich so einbringen, wie es ihm gerade passt. Etwa einen Tag in der Woche beschäftigt sie die Arbeit bei Fridays for Future aber schon, sagt Theresa. Wer will, kann sich auch auf Bundesebene einbringen. So beteiligt sich Theresa zum Beispiel hier zurzeit an der Planung der nächsten Großdemo in Mainz, die am 17. Januar stattfindet und gemeinsam mit Ortsgruppen aus Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland organisiert wird.
Klimaschutz nur etwas für „Profis“?
Definitiv: Nein, auch wenn es auf den ersten Blick bei Theresa so aussieht. Während Anfang des Jahres die Vorbereitung der Demos bei FFF Mainz im Vordergrund stand, nahm nach einigen Wochen der Austausch mit Politikern immer mehr Zeit in Anspruch. Ein Gespräch mit der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer im Februar, im Juli mit dem Landtagspräsidenten sowie einige Treffen mit verschiedenen Landtagsfraktionen, vor allem der Grünen und der SPD. Im Mai diskutierte Theresa mit auf dem Podium im Capitol-Kino, unter anderem mit der rheinland-pfälzischen Umweltministerin Ulrike Höfke.
Worum geht es bei Fridays for Future?
Bei diesen Veranstaltungen fordert FFF Mainz einen Wandel der Energieversorgung, Aufklärung im Bereich Klima- und Umweltschutz, staatliche Förderung einer umweltfreundlichen Wirtschaft, den Ausbau des ÖPNV, die Förderung und den Erhalt von Grünflächen sowie klimafreundliche Ernährung. Ein erster politischer Erfolg konnte verzeichnet werden: Ende September wurde im Mainzer Stadtrat der Klimanotstand ausgerufen. Zukünftig werden bei allen Entscheidungen der Gemeindevertretung die Auswirkungen auf das Klima berücksichtigt. Theresa hat an der Stadtratssitzung teilgenommen und auch hier eine Rede gehalten.
„Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist wie sie ist. Es wär‘ nur deine Schuld, wenn sie so bleibt.“
Aber zurück zum Sternenmarsch: Nachdem die letzte Ansprache am Eingang der JGU gehalten ist, setzt sich die Menge kurz nach 13 Uhr in Bewegung, an ihrer Spitze: Theresa. Auf dem Weg zum Gutenbergplatz kommt der Verkehr auf der Saarstraße und in der Innenstadt zwischenzeitlich zum Erliegen. Am Ziel angelangt, trifft der Zug auf die beiden anderen von Fridays for Future und Parents for Future. Es werden erneut Reden gehalten, von denen einige von Theresa angesagt werden. Zwischendurch spielt eine eigens für die Demo gegründete Band unter anderem Deine Schuld von den Ärzten.
Gegen 15 Uhr wird die Versammlung aufgelöst, zu der erstmals Menschen aus allen Gesellschaftsgruppen aufgerufen wurden. Auch Angehörige der JGU engagieren sich ganz unterschiedlich in der Bewegung. Die Scientists for Future waren zahlreich vertreten und hatten am Morgen vor der Demo Vorträge organisiert. Auch die im August gegründete Hochschulgruppe Students for Future, bei der sich Theresa ebenfalls engagiert, und einige Kolleginnen und Kollegen von der UB waren dabei. Das Studierendenwerk setzte an dem Tag ebenfalls ein Zeichen: Alles, was in Einwegplastik verpackt ist, war nicht erhältlich. Was übrig blieb, war überschaubar.
Umweltschutz fängt vor der eigenen Haustür an!
Für Theresa stehen zwei Dinge fest: Zum einen, dass sie so lange weiter demonstrieren wird, bis die Politik auf die Forderungen der Bewegung eingeht. Fridays for Future ist aber keine One-Woman-Show, sondern lebt von der Beteiligung vieler. Nach eigenen Schätzungen haben 10.000 Menschen am Sternmarsch vom 20. September teilgenommen, die Polizei spricht von deutlich mehr als 6.000 bis hin zu mehr als 8.000. Auf jeden Fall war es die bisher größte Demo der Bewegung in Mainz. Allein bei der Uniroute sollen laut den Organisatoren rund 1.500 dabei gewesen sein. Theresa ist überwältigt: Sie hatte gerade mal 500 Menschen angemeldet.
Zum anderen steht für Theresa fest, dass Klimaschutz beim eigenen Verhalten anfängt. Theresa ist Vegetarierin und geht im Alltag sparsam mit Ressourcen um. Sie versucht möglichst wenig Müll zu produzieren, indem sie häufiger einkaufen geht und möglichst plastikverpackte Produkte vermeidet. Außerdem gibt sie den Ratschlag: „Wenn man bei jedem neuen Produkt, das man kauft, kurz überlegt, brauch ich das wirklich oder eigentlich gar nicht, dann hat man schon eine Menge eingespart.“
Als Filmtipp möchte euch Theresa Der Junge, der den Wind einfing empfehlen, der sie sehr bewegt hat. Der Spielfilm, der auf wahren Begebenheiten beruht, spielt in Malawi um die Jahrtausendwende. Er handelt vom dreizehnjährigen William, der angesichts einer drohenden Hungersnot nicht nur seine Familie, sondern sein ganzes Dorf durch seinen unkonventionellen Erfindergeist rettet.
Wart Ihr bei der Alle fürs Klima-Demo dabei? Engagiert Ihr Euch in der Bewegung oder anderweitig im Bereich Klimaschutz und Nachhaltigkeit? Ich freue mich über einen Kommentar von Euch!
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Stefanie Martin arbeitet in der Bereichsbibliothek MIN.